top of page
Suche

Was bedeutet der European Green Deal für die Flugbranche?

Das Ziel der Europäischen Kommission ist sehr klar: Im Jahr 2050 soll Europa der erste klimaneutrale Kontinent werden. Nur so viel klimaschädliche Emissionen sollen entstehen, wie auf natürlichem Weg oder mit technologischen Lösungen wieder abgebaut werden können. Natürlich wird auch die Luftfahrt von den geplanten Massnahmen des Green Deals betroffen sein. Man spricht über die Abschaffung der Subventionen für fossile Brennstoffe, Anpassungen des Emissionshandels und die Vereinheitlichung des europäischen Luftraums. Wir haben uns bei wichtigen Playern in der Schweiz umgehört, welche Herausforderungen sie für die Branche sehen.


Quelle: Unsplash



Das Ziel der Europäischen Kommission ist sehr klar: Im Jahr 2050 soll Europa der erste klimaneutrale Kontinent werden. Der sogenannte European Green Deal und das daraus abgeleitete Fitfor55-Paket sieht vor, dass nur so viel klimaschädliche Emissionen entstehen sollen, wie auf natürlichem Weg oder mit technologischen Lösungen (Treibhausgassenken) wieder abgebaut werden können. Die Europäische Kommission will dafür ein entsprechendes Klimagesetz vorlegen, um die Klimaneutralität bis 2050 verbindlich festzulegen. Zur Erreichung dieses Ziels wurde die Reduktionsvorgabe bis zum Jahr 2030 im Vergleich zur bisherigen Planung deutlich verschärft: Bis 2030 sollen die Treibhausgasemissionen nicht wie bisher um 40 Prozent, sondern um 50 bis 55 Prozent reduziert werden. Um dieses Ziel zu erreichen, überprüft die Kommission grundsätzlich alle EU-Vorschriften auf ihre Klimatauglichkeit.



Luftfahrtbranche unterstützt die Klimaziele der EU


Natürlich wird auch die Luftfahrt von den geplanten Massnahmen des Green Deals betroffen sein. Grundsätzlich, wie bei anderen Verkehrsträgern, wird auch hier angestrebt, dass der Preis des Fliegens die Auswirkungen des Verkehrs auf die Umwelt und die Gesundheit widerspiegeln. Konkret will die EU-Kommission Subventionen für fossile Treibstoffe abschaffen, Steuerbefreiungen auf Kerosin überprüfen und wo notwendig Schlupflöcher schliessen. Ausserdem soll die Luftfahrtbranche im Rahmen des Emissionshandels weniger kostenlose Zertifikate erhalten. Die Massnahmen sollen mit internationalen Bemühungen – dem Klimaschutzinstrument CORSIA (Carbon Offsetting and Reduction Scheme for International Aviation) der Luftfahrtorganisation ICAO – abgestimmt werden. Darüber hinaus will die Kommission die seit über 20 Jahren diskutierte Idee eines einheitlichen europäischen Luftraum (Single European Sky – SES) endlich umsetzen.


Wir haben uns bei wichtigen Playern in der Schweiz umgehört, was sie von den geplanten Massnahmen halten und wo sie Herausforderungen für die Branche sehen. Grundsätzlich findet die europäische Luftfahrtbranche einen wirksamen Klimaschutz richtig und unterstützt daher die Ziele der EU Kommission. Differenziert sind dann aber die Rückmeldungen zu den einzelnen vorgeschlagenen Massnahmen. Für alle Player ist es zentral, dass alle Massnahmen dem weltweiten Wettbewerb Rechnung tragen und nicht nur reine EU-Lösungen sind.



EuroAirport begrüsst die globale Besteuerung des Kerosins zur Reduktion von CO2-Emissionen


Für den Flughafendirektor des EuroAirports Matthias Suhr wäre eine globale Besteuerung des Kerosins und damit die Bepreisung des Gebrauchs von fossilen Treibstoffen ein effizientes Instrument zur Reduktion der CO2-Emissionen. Konsequenterweise müssten laut Suhr aber die entsprechenden Einnahmen in die Flugbranche zurückgeführt werden, um gezielt CO2-Emissionen zu reduzieren. Bezüglich der Ausgestaltung des Emissionshandels betont Suhr, dass regionale Insellösungen nicht zielführend sind: «Grundsätzlich sind globale Klimaschutzinstrumente wie CORSIA der richtige Lösungsansatz. Dabei ist aber darauf zu achten, dass die Wahl der Instrumente abgestimmt ist und keine Mehrfachbelastungen für die Luftfahrt entstehen.»


Der in der Mitte Europas liegende EuroAirport steht voll und ganz hinter der Einführung eines einheitlichen europäischen Luftraums, um die Effizienz des Flugverkehrsmanagements und der Flugsicherungsdienste zu verbessern: «Daraus werden unter anderem wegen direkteren Routen und weniger Verspätungen kürzere Flugzeiten resultieren, was dann wieder der Umwelt zu Gute kommt.» Suhr ist überzeugt, dass der Luftverkehr zwingend auf nachhaltig erzeugte, alternative Treibstoffe setzen muss, um den CO2-Ausstoss langfristig zu reduzieren: «Es gibt bereits neue Generationen von alternativen Flugtreibstoffen. Aber diese sind weder in genügender Menge noch zu vertretbaren Preisen verfügbar und somit zurzeit auch nicht wettbewerbsfähig. Klare politische Rahmenbedingungen und die Schaffung von wirkungsvollen und wettbewerbsneutralen regulatorischen Massnahmen würden der Entwicklung von CO2-neutralen Flugtreibstoffen Schub geben.»



Für easyJet ist es wichtig, dass alle Luftverkehrssteuern auf Emissionen basieren


easyJet ist davon überzeugt, dass die Luftfahrtindustrie – im Einklang mit den Ambitionen des European Green Deals – bis 2050 oder früher Netto-Null-Emissionen erreichen muss. Dabei betont die am EuroAirport in den letzten Jahren stark gewachsene Fluggesellschaft: «Das endgültige Massnahmenpaket der EU sollte unbedingt das Verursacherprinzip aufrechterhalten. Dies bedeutet, dass alle Luftverkehrssteuern auf Emissionen basieren und alle Flüge entsprechend besteuert werden. Langstreckenflüge sollten in die EU-Quote für den Einsatz nachhaltiger Flugkraftstoffe einbezogen werden und die Gleichbehandlung von Kurz- und Langstreckenflügen sollte auch als Teil anderer umweltpolitischer Massnahmen sichergestellt werden.» Zudem wünscht sich easyJet, dass die EU einen offenen Dialog über wirtschaftliche Anreize für Innovationen initiiert, die den Einsatz von Wasserstoff- und wasserstoffelektrischen Flugzeugen gegenüber langfristig weniger attraktiven Optionen wie nachhaltigen Treibstoffen (Sustainable Aviation Fuels, SAFs) fördert.


Bezüglich der Abschaffung der Steuerbefreiung von Kerosin ist es für easyJet entscheidend, dass alle finanzpolitischen Massnahmen für die Luftfahrt dieses Ziel unterstützen. Allerdings dürfe es keine Doppelbesteuerung geben, jede Kerosinsteuer sollte bereits existierende, klimapolitisch ineffiziente Passagiersteuern in Europa durch eine Kombination aus einer Kerosinsteuer für Flüge innerhalb der EU und einer Flugsteuer für Langstreckenflüge ersetzen, die deren CO2-Ausstoss widerspiegle. easyJet unterstützt die Bestrebungen rund um das EU-Emissionshandelssystem (European Union Emissions Trading System, EU ETS) und – in geringerem Ausmass – das ICAO-Programm CORSIA. CORSIA sei jedoch weit weniger wirksam als ETS, da die Kosten pro Tonne Kohlenstoff viel niedriger seien.


ETS ist aus Sicht der Airline das wirksamere, nicht-wettbewerbsverzerrende Programm. Und weiter: «Wir unterstützen daher die globale Anwendung von ETS für alle ankommenden und abfliegenden Flüge, bzw. der universellen Anwendung eines gleichwertig stringenten Programms. In seiner derzeitigen Form ist CORSIA ein weniger strenges System als das EU-ETS.» In Anbetracht der Auswirkungen der COVID-19-Pandemie ist easyJet aber der Ansicht, dass jegliche Reduzierung der kostenlosen Zertifikate im Rahmen des EU-Emissionshandelssystems schrittweise erfolgen muss, um dem Sektor keine plötzlichen negativen Auswirkungen aufzuerlegen. Des Weiteren fordert easyJet, dass Steuereinnahmen aus diesen Programmen in Forschung & Entwicklung in der Luftfahrtindustrie reinvestiert werden, um den Branchenwandel hin zu grünerer Technologie zu beschleunigen. easyJet unterstützt die Single European Sky II Verordnung und schätzt, dass die netzwerkweiten Emissionen durch eine gesteigerte Effizienz des Luftraums um bis zu 11 % reduziert werden könnten.



SWISS: Instrumente dürfen europäische Airlines nicht benachteiligen


Die SWISS begrüsst grundsätzlich die Klimainstrumente, welche die EU im Rahmen des Fitfor55-Paketes vorschlägt – insbesondere das Engagement der EU für international koordinierte Fördermechanismen für nachhaltigen Treibstoffe (SAF). Die Tochter der Deutschen Lufthansa-Gruppe legt aber Wert darauf, dass neben der Effektivität in Punkto Klimaschutz die Instrumente auch so ausgestaltet sind, dass es nicht zu einseitigen Wettbewerbsnachteilen für EU Fluggesellschaften und Carbon Leakage – die Verlagerung von Verkehrsströmen und CO2 ins Ausland – kommt. Und weiter: «Zur Erreichung der Klimaziele im Luftverkehr sind massive finanzielle Anstrengungen notwendig. Damit diese möglich sind, müssen sich Fluggesellschaften von der Corona-Pandemie erholen, um wieder wirtschaftlich erfolgreich zu operieren und somit investitionsfähig zu werden.»


SWISS betont, dass im Luftverkehr nur international – idealerweise weltweit koordinierte Massnahmen zielführend sind – aus ökologischen sowie ökonomischen Gesichtspunkten. SWISS unterstützte daher den Aufbau von globalen Instrumenten wie CORSIA. Unter dem Vorbehalt, dass Wettbewerbsverzerrungen minimiert und Carbon Leakage verhindert wird, unterstützt SWISS international koordinierte Ansätze wie die Einführung einer SAF-Quote (im Gleichschritt mit der EU) und die Weiterentwicklung des ETS. SWISS erachtet das Instrument einer verpflichtenden Beimischquote als taugliches Mittel, um den Einsatz und die Produktion von SAF voranzubringen – vorausgesetzt eine solche werde international abgestimmt eingeführt und wettbewerbsneutral ausgestaltet. Und weiter: «Zur Dekarbonisierung des Luftverkehrs braucht es zudem Förderprogramme, die insbesondere die Markteinführung und Skalierung von SAF unterstützen und die Optimierung des Air Traffic Managements (ATM) und somit auch die Schaffung des Single European Sky fördert.»


Die Einführung einer Kerosinsteuer auf europäischer Ebene erachtet SWISS hingegen als nicht zielführend. Sie würde zu grossen Wettbewerbsverzerrungen zuungunsten der europäischen Fluggesellschaften führen mit wenig Effekt für das Klima. Für Drittstaatenairlines wäre die Umgehung der Steuer relativ einfach («Tankering»). Europäische Airlines hingegen müssten mehr für das Kerosin bezahlen, wären im globalen Wettbewerb benachteiligt und notwendige Investitionen würden erschwert.



BAZL unterstützt seit vielen Jahren die Schaffung eines Single European Sky


Aus Sicht des Bundesamtes für Zivilluftfahrt (BAZL) ist eine abschliessende Beurteilung des Paketes im Moment noch nicht möglich, da die Vorschläge des Fitfor55-Paketes im Rahmen der angelaufenen politischen Diskussion vermutlich noch verändert werden. Das BAZL begrüsst, dass die von der Kommission vorgeschlagene Verschärfung der Bedingungen für den Luftverkehr im Emissionshandel keine Doppelbelastung der Fluggesellschaften unter dem Emissionshandel und CORSIA vorsieht. Und weiter: «Sollten die vorgeschlagenen Anpassungen am Emissionshandel angenommen werden, so dürften sie im Rahmen des verknüpften Emissionshandelssystems Schweiz-EU auch von der Schweiz gespiegelt werden müssen. Die Schweiz, welche CORSIA eigenständig und nicht wie die EU im Rahmen des Emissionshandels umsetzt, muss sich entscheiden, ob sie ihre Anwendung von CORSIA ebenfalls entsprechend einschränken will, um eine Doppelbelastung zu vermeiden, wie dies auch bereits vom geltenden CO2-Gesetz verlangt wird.»


Laut BAZL betrifft die Abschaffung der Steuerbefreiung von Kerosin den Luftverkehr innerhalb der EU. Wird die für einen solchen Beschluss nötige Einstimmigkeit erreicht, könne die EU für intra-EU-Flüge eine Kerosinbesteuerung einführen, wie es sie etwa in der Schweiz für nationale Flüge bereits seit langem gebe. Für die Einführung einer Kerosinbesteuerung für internationale Flüge, etwa zwischen der Schweiz und der EU, müssten die entsprechenden Luftverkehrsabkommen angepasst werden. Die Schweiz arbeitet gemäss BAZL bereits seit vielen Jahren aktiv am Projekt Single European Sky mit: «Wir begrüssen Fortschritte in Richtung einer Effizienzsteigerung des Luftverkehrssystems, dies nicht nur aus Sicht des Klimaschutzes, sondern auch aus Sicht einer möglichst effizienten Abwicklung des Luftverkehrs.» Die Schweiz unterstütze auch Bestrebungen zum Einsatz nachhaltiger Flugtreibstoffe (SAF), da sie die einzige Möglichkeit seien, die fossilen CO2-Emissionen des Luftverkehrs signifikant zu reduzieren.

bottom of page