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Nachhaltige Kraftstoffe als Königsweg der Flugzeug-Antriebe

Es gibt verschiedene mögliche Antriebskonzepte und Energiequellen, die für Flugzeuge in der Zukunft verwendet werden könnten, um den CO2-Fussabdruck des Fliegens zu verkleinern. Dazu gehören elektrische Antriebe, Wasserstoff-Brennstoffzellen, nachhaltige Kraftstoffe wie Biokraftstoffe oder synthetisches Kerosin. Heute ist unklar, welche dieser Technologien sich für welche konkrete Anwendung letztendlich durchsetzen werden und in welchem Umfang sie eingesetzt werden. Wir wollten von Dr. Urs Ziegler, Leiter Sektion Umwelt beim, Bundesamt für Zivilluftfahrt (BAZL), wissen, welche Herausforderungen und Chancen die verschiedenen Antriebskonzepte haben.

Bild: Urs Ziegler, Leiter Sektion Umwelt beim, Bundesamt für Zivilluftfahrt (BAZL)


Welches der drei Antriebskonzepte – elektrische Antriebe, Wasserstoff-Brennstoffzellen, nachhaltige Kraftstoffe – wird sich aus Ihrer Sicht durchsetzen?


Die Erkenntnis ist gewachsen, dass die sogenannten Sustainable Alternative Fuels (SAFs; nachhaltige alternative Treibstoffe) den Königsweg darstellen. Wir können in gewissen Nischen elektrisch oder mit Wasserstoff fliegen, aber mit dem Zeithorizont 2050 haben wir für Langstrecken- und Mittelstreckenflüge keine Alternative zu den SAFs. Und wir müssen uns auf die Mittel- und Langstreckenflüge konzentrieren, da sie rund 70 bis 80 Prozent der Emissionen ausstossen. Mittelstreckenflüge mit ein bis zweieinhalb Stunden Flugzeit und bis zu 150 Passagieren an Bord machen etwa 40% der CO2-Emissionen aus. Langstreckenflüge mit über 2,5 Stunden Flugzeit und mehr als 250 Passagieren sind verantwortlich für 20 bis 30 Prozent des weltweiten CO2-Ausstosses.



Wie beurteilen Sie den elektrischen Antrieb?


Grundsätzlich haben wir ein Gewichtsproblem, weil die Batterien sehr schwer sind. Der elektrische Antrieb wird daher eher etwas für Nischen sein, z.B. für Schulflugzeuge und kurze Verbindungsflüge. Entscheidend ist auch die Frage, wie nachhaltig der Strom hergestellt wird, um die Batterien zu laden und wie rasch die Batterien geladen werden können.



Was sind die Chancen des Wasserstoff-Antriebs?


Obwohl Wasserstoff pro Kilogramm Gewicht fast drei Mal so viel Energie enthält wie Kerosin, ist er in Folge des dafür nötigen höheren Tankvolumens für Langstrecken nicht geeignet. Wasserstoff müsste zudem mit 700 Bar Druck gelagert oder auf minus 253 Grad gekühlt werden. Das ist aufwendig und braucht eine eigene Infrastruktur von der Quelle bis zum Flugzeug. Daran wird geforscht. Airbus hat beispielsweise angekündigt, bis 2035 ein Flugzeug mit Wasserstoff-Antrieb zertifizieren zu wollen. Bis dann eine ganze Flotte solcher Flugzeuge im Einsatz stehen werden, dürften noch mehrere Jahre vergehen. Zudem bleiben viele offene Fragen: Wie weit kann ich fliegen? Woher kommt der Wasserstoff? Was müsste man an der Infrastruktur der Flughäfen ändern? Dabei geht es unter anderem um neue Tanksysteme, grössere Sicherheitsabstände zum Betanken der Flugzeuge und um die Fragen, wie der Transport des Wasserstoffs zum Flughafen organisiert wird. Zudem muss eine gewisse Mindestanzahl an Flughäfen für Wasserstoff ausgerüstet sein, damit das Ganze Sinn macht. Ganz anderes ist dies bei den SAFs, da man für deren Ansatz an der vorhandenen Infrastruktur nichts ändern muss.



Heisst dies, dass man sich nun primär auf die SAFs Technologie fokussieren sollte?


Nein, absolut nicht. Es ist wichtig, dass man alle Technologien voranbringt. Aber es wird nicht funktionieren, dass man ab 2050 elektrisch von Zürich nach Sao Paulo fliegen kann. Das Hauptproblem ist der Energieverbrauch: Woher nimmt man die Energie, um ein Flugzeug von A nach B zu bringen? Der Grund, weshalb man bisher Kerosin gebraucht hat, ist ganz einfach: Kerosin hat eine sehr hohe Energiedichte pro Kilogramm Gewicht. So hat 1 kg Kerosin einen ca. 60-mal grösseren Energieinhalt als der Energieinhalt eines Kilogramms einer heutigen Batterie. Zudem stellt sich die Frage, wie schnell die Batterien nach einem Flug wieder aufgeladen werden können und wie nachhaltig der dafür verwendete Strom ist. Beim Wasserstoff ist die Energie pro Einheit Wasserstoff zwar fast dreimal höher als bei Kerosin, dafür ist das Volumen aber etwa 4-mal grösser. Das heisst die Flugzeuge müssen grösser sein und werden daher mehr Luftwiderstand haben. Diese Herausforderungen kommen nicht von den Herstellern, sondern von der Physik, die wir nicht ändern können.



SAFs können ja aus einer Vielzahl von nachhaltigen Quellen hergestellt werden, wie pflanzlichen oder tierischen Abfällen, Mikroalgen oder aus Abfällen wie Kehricht und Abwasser. Und dann gibt es die synthetischen Treibstoffe, welche durch die elektrochemische Spaltung von Wasser in Wasserstoff und Sauerstoff und der anschliessenden Methanisierung mit Kohlendioxid hergestellt werden. Welche Art der Herstellung ist am erfolgversprechendsten?


Entscheidend ist bei allen Verfahren, dass der Treibstoff zertifiziert ist. Diese Zertifizierung erfolgt durch die ASTM (American Society for Testing of Materials). Wichtig ist auch, dass es sogenannte drop-in fuels sind, die man dem fossilem Kerosin beimischen kann und der resultierende gemischte Treibstoff weiterhin als sogenannter Jet A-1 Treibstoff gilt, wie er in allen gängigen Flugzeugen mit Turbinenantrieb verwendet werden kann. Jet A-1 Treibstoff muss dafür verschiedene chemische und physikalische Spezifikationen erfüllen. Dies ist etwa relevant für die Hersteller von Flugzeugen, die Antriebe entwickeln, die Jet A-1 verbrennen können. Für die Verwendung von Jet A-1 braucht es weder an der bereits heute genutzten Infrastruktur von Flughäfen inkl. Tankwagen noch an den eingesetzten Flugzeugen Anpassungen.



Welches sind aus ihrer Sicht die besten Verfahren, um Biokraftstoffe herzustellen?


Hier geht es vor allem um die Frage, wie der Life Cycle eines biobasierten Treibstoffes aussieht. Am unproblematischsten ist sicher die Nutzung von Abfallstoffen. Ausser wenn es Konkurrenz von anderen Nutzern gibt, welche die Biomasse auch nutzen wollen, etwa um Biogas zu produzieren. Wenn extra Pflanzen angebaut werden müssen, dann muss man sehr genau hinschauen, ob dies dann noch nachhaltig ist, weil beispielsweise eine Konkurrenz zum Anbau von Nahrungsmitteln entsteht. Treibstoffe, die nicht nachhaltig sind, dürfen auf keinen Fall unter dem Label nachhaltig verkauft werden.



Wie sehen Sie die Zukunft von synthetischen Treibstoffen?


Ein wichtiges Thema bei den synthetischen Treibstoffen ist die Frage, wie der benötigte Strom hergestellt wird. Verwenden wir erneuerbaren Strom, dann ist alles gut. Wenn aber beispielsweise Kohlestrom verwendet wird, um die Elektrolyse zu machen, dann wäre es sinnvoller, direkt fossilen Treibstoff zu verbrennen. Zudem stellt sich immer auch die Frage, ob und wann genügend Strom für eine nachhaltige Produktion zur Verfügung steht. Ich muss für Power-to-Liquid Anlagen sicherstellen, dass der Betrieb rund um die Uhr sichergestellt ist. Dies sind alles Faktoren, welche die Luftfahrt nicht direkt beeinflussen kann.



Was ist aus Ihrer Sicht das Potential der SAFs?


Im Moment sind wir noch ganz am Anfang. Nur etwa 0,1 Prozent des Treibstoffs in der Luftfahrt wird mit SAFs gedeckt. Die EU ist daran, einen Pfad für eine schrittweise Erhöhung der Beimischquote für SAFs festzulegen. Bis 2050 soll die Beimischquote bei 63 Prozent sein. Dieser Vorschlag wird derzeit in den EU Gremien diskutiert. Im Rahmen der Diskussionen um das CO2-Gesetz schlägt der Bundesrat dem Parlament ebenfalls die Einführung einer Beimischquote vor, die mit der EU abgestimmt werden soll. In Europa geht man damit in Richtung verpflichtender Beimischquoten, während man bspw. in den USA auf steuerliche Anreize setzt.



Wie wird die CO2-Bilanz des Flugverkehrs im Jahr 2050 aus Ihrer Sicht aussehen?


Das CO2-Ziel für 2050 ist gesetzt: Netto null. Eine breit angelegte internationale Studie hat allerdings gezeigt, dass auch bei einem optimistischen Szenario 2050 noch ein Plus von ca. 200 Millionen Tonnen CO2 übrigbleiben wird, das wir nur mit negativen Emissionstechnologien wegbringen können. Wir sind auf dem richtigen Weg, aber es wird noch grosse Anstrengungen brauchen um die gesteckten Ziele auch zu erreichen.



Machen die neuen Antriebstechnologien und Treibstoffe das Fliegen teurer?


Ich denke, dass das Fliegen teurer wird. Die Frage ist, um wieviel. Der Luftverkehr ist ja bekanntlich sehr erfinderisch in puncto Effizienzsteigerungen. Das sieht man an den Geschäftsmodellen der Low-Cost-Carrier. Auf der anderen Seite sieht man auch eine klare Entwicklung im Emissionshandelssystem. Heute erhält man für Flüge im EWR-Raum einen gewissen Anteil an Emissionsrechten gratis zugeteilt. Diese Gratiszuteilung wird es ab 2026/2027 nicht mehr geben. Für jede Tonne an CO2, die ausgestossen wird, müssen die Fluggesellschaften Emissionsrechte kaufen und abgeben. Vor rund drei Jahren hat ein Emissionsrecht pro Tonne ein bis vier Euro gekostet. In den letzten Monaten sind die Preise auf 70 bis 80 Euro pro Tonne gestiegen und sie werden weiter steigen. Im aussereuropäischen Verkehr muss zudem ein Teil der CO2-Emissionen mit Emissionszertifikaten kompensiert werden. Wenn dann zusätzlich auch ein wachsender Anteil des Treibstoffs aus teureren SAFs bestehen muss, dann werden die Kosten natürlicherweise steigen.



Was ist der Beitrag der Schweiz zu den neuen Technologien?


Die Schweiz ist im Bereich der nachhaltigen Technologien sehr gut aufgestellt. Es gibt unter anderem zwei Spin-Offs der ETH Zürich, die sehr gut unterwegs sind. Climeworks ist im Bereich der negativen Emissionstechnologien erfolgreich. Der andere Spinn-Off ist Synhelion, der ein Verfahren entwickelt hat, um mit Hilfe von konzentriertem Sonnenlicht CO2-neutrales Kerosin herzustellen.



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