Trotz der grossen wirtschaftlichen Herausforderungen mit der Pandemie beschäftigte sich der Flughafen Basel-Mulhouse in den letzten Monaten intensiv und umfassend mit Fragen der Lärmreduktion. So hat die Flughafenspitze kürzlich an einer Medienorientierung über zwei Anträge an die französische Luftfahrtbehörde (DGAC, Direction générale de l’Aviation civile) informiert: Ein Verbot aller geplanten Starts zwischen 23.00 bis 24.00 Uhr sowie ein Verbot von Flugbewegungen von Kapitel-3-Flugzeugen mit einer Lärmmarge unter 13 EPNdB zwischen 22.00 und 06.00 Uhr.
Aktiver Dialog mit über 90 Anspruchsgruppen
Diese Anträge sind das Resultat einer Studie, die der Flughafen im Auftrag der DGAC nach dem Prinzip des «ausgewogenen Ansatzes» erstellen liess. Im Zentrum stand die Frage, wie der Flughafen unter Beachtung der Interessen der unterschiedlichsten Anspruchsgruppen die Lärmemissionen in der Nachtstunde von 23.00 bis 24.00 Uhr senken kann. Von August 2019 bis Januar 2020 haben zwei unabhängige Beratungsfirmen, CGX AERO aus Frankreich und EBP aus der Schweiz, bei über 90 Anspruchsgruppen den Puls gemessen. Darunter waren unter anderem Vertreter von Gemeinden, Kantonen, Fluggesellschaften und Verbänden und Anwohnerorganisationen. Anschliessend wurden sieben verschiedene Szenarien entwickelt, um die akustischen und sozioökonomischen Auswirkungen möglicher Massnahmen zu evaluieren. Auf dieser Grundlage entschied sich der Verwaltungsrat des EuroAirports nun für die beiden erwähnten Anträge.
Flughafen nimmt die Forderungen der Anrainergemeinden sehr ernst
Dr. Sebastian Deininger, Handelskammer beider Basel, Leiter Verkehr, Raumplanung, Energie und Umwelt, wertet sowohl die Vorgehensweise wie auch die Anträge des EuroAirports als sehr positiv und umsichtig: «Dass der Flughafen die Fragen der Lärmbelastung proaktiv mit über 90 Anspruchsgruppen diskutiert hat, zeigt, dass er das Thema ernst nimmt.» In seinen Einschätzungen geht der EuroAirport mit diesem Schritt auf die Forderungen der Flughafenanrainerinnen und -anrainer nach mehr Nachtruhe sehr konkret ein: «Die beiden Anträge werden zu einer massgeblichen Lärmreduktion in der Nacht führen. Auf der Basis der letztjährigen Flugbewegungen würde das bedeuten, dass sich die Anzahl der Starts zwischen 23.00 und 24.00 Uhr von 1222 auf 272 reduzieren würde.» Und weiter: «Wir erachten es natürlich auch als positiv, dass sich der Verwaltungsrat im Rahmen der erarbeitenden Szenarien für eine Variante entschieden hat, die eine deutliche Verringerung des Lärms bringt und dabei den sozioökonomischen Schaden minimiert. Szenarien, in denen die wirtschaftlichen Auswirkungen ausser Acht gelassen werden, wären gerade in der Situation, in der sich die Luftfahrt derzeit befindet, inakzeptabel.»
Was die Studie laut Deininger auch mit klaren Fakten dokumentiert, ist die Tatsache, dass das von gewissen Akteuren geforderte generelle Nachtflugverbot massive negative sozioökonomische Effekte hätte. Die beiden unabhängigen Beratungsfirmen schätzen den Ertragsrückgang des Personenverkehrs auf rund 65 Millionen Euro (minus 25 Prozent) und den möglichen Verlust von Arbeitsplätzen auf über 800 Stellen. Weiter kommen die Beratungsunternehmen zum Schluss, dass die Fluggesellschaften die auf dem EAP stationierten Flugzeuge reduzieren und allenfalls auch ihre Basis an einen anderen Flughafen verschieben würden. Wichtig ist zu erwähnen, dass die beiden Unternehmen nur auf die Frage eingehen, was das Ausmass des sozioökonomischen Effektes auf den EAP und die Fluggesellschaften ist. Die Studie behandelt noch nicht, welche immensen volkswirtschaftlichen Auswirkungen ein generelles Nachtflugverbot auf die gesamte trinationale Region hätte. «Der EuroAirport ist eine Schlüsselinfrastruktur der Region Basel und ein unverzichtbarer Standortfaktor für unsere Unternehmen. Wir dürfen auch seinen Stellenwert in der Logistikkette nicht vergessen. Wie wichtig eine gute Luftanbindung ist, hat sich während der Corona-Krise eindrücklich gezeigt», so Deininger.
Wie geht es weiter?
Die DGAC analysiert als nächstes die Studie und erstellt einen Entwurf für ein Dekret, welcher der Öffentlichkeit, den regionalen, kantonalen und kommunalen Institutionen in Frankreich, in der Schweiz und in Deutschland sowie bei der Commission Consultative de l’Environnement auf französischer und der Fluglärmkommission auf schweizerischer Seite vorgelegt wird. Der Entwurf wird dann unter anderem von der unabhängigen französischen Lärmschutzbehörde Frankreichs ACNUSA (Autorité de Contrôle des Nuisances Aéroportuaires) beurteilt. Schliesslich wird auch die EU ihre Stellungnahme dazu abgeben müssen. Unter der Voraussetzung, dass keine Rechtsmittel gegen die Verfügung ergriffen werden, könnten die Massnahmen in rund einem Jahr umgesetzt werden.
Korrektur für Abflüge ab Piste 15 reduziert ab sofort Lärm in Anrainergemeinden
Und noch dies: Bereits am 18. Juni 2020 ist die Korrektur der Flugverfahren bei Starts ab Piste 15 mit Abflug nach Westen (Abflugverfahren TORPA7S und MOROK7S) in Kraft getreten. Anfang des letzten Jahres hatten der Flughafen und die französische Flugsicherungsbehörde DSNA bei einer Überprüfung der satellitenbasierten Abflugprozeduren (RNAV) ab Piste 15 festgestellt, dass sich die Flugspuren um einige 100 Meter nach Süden verschoben hatten. Dies verursachte in einigen Anrainergemeinden eine höhere Lärmbelastung. Mit der Korrektur sollen die Starts nach Westen nun wieder über möglichst wenig dicht besiedeltes Gebiet erfolgen.
Wirtschaft ist aktuell sehr stark auf eine funktionierende Luftanbindung angewiesen
Es ist laut Deininger offensichtlich, dass der EuroAirport mit der Reduktion der Lärmbelastung Ernst macht. Und weiter: «Noch muss aber die französische Luftfahrtbehörde bzw. das Transportministerium die Anträge gutheissen. Daher ist es nun wichtig, dass die schweizerische Seite – in erster Linie das BAZL, aber auch die Kantone Baselland und Basel-Stadt – dabei unterstützend wirken, so dass die vom EuroAirport vorgeschlagenen Massnahmen auch tatsächlich umgesetzt werden können.» Im Sinne der Nachhaltigkeit des Flughafens gilt es laut Deininger ein Gleichgewicht zu finden zwischen den wirtschaftlichen Bedürfnissen des EuroAirports und der Region einerseits und den Bedürfnissen der Anwohnern, andererseits.
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